In den goldenen Hallen der heimischen Supermarkt-Giganten bahnt sich ein Drama an, das von den Leitmedien schmerzhaft ignoriert wird. Während der kleine Mann – „Frau Österreicher“ und „Otto Normalverbraucher“ – seine letzten Ersparnisse für die monatliche Ration Packerlsuppen und ein halbes Kilo Faschiertes opfert, platzen die Konten der Handelsriesen aus allen Nähten. Es ist ein trauriger Anblick, wie diese tapferen Konzerne mit dem unerwarteten Reichtum kämpfen, den die grassierende Inflation über sie ausschüttet.

Stellen Sie sich vor: Der CEO eines bekannten Lebensmittelkonzerns muss sein Büro vergrößern, nur um die Geldscheine zu stapeln, die seit Jahresbeginn in seine Kassen gespült werden. Mitarbeiter berichten von nächtlichen Überstundenmarathons, um die Tresore zu leeren, weil sie unter dem Druck der neuen Huntert-Euro-Scheine nachzugeben drohen. Es ist ein logistischer Albtraum, den die tapferen Manager mit stoischer Gelassenheit meistern.

Analysten berichten von einer Wende im Konsumverhalten, die frappierend ist: Das Budget für Freizeit und Kultur schrumpft schneller als ein Schneemann in der Hitzewelle, während die Ausgaben für Lebensmittel in schwindelerregende Höhen steigen. Der wöchentliche Kinobesuch? Gestrichen. Das Jahresabo im Fitnessstudio? Gekündigt. Das neue Hobby „Japanisch lernen“? Auf unbestimmte Zeit verschoben. All das, um die explodierenden Kosten für Nahrungsmittel zu stemmen.

Besonders absurd: Das berüchtigte „Bier-Paradoxon“. In Deutschland, dem Land der vermeintlich geizigen Schwaben und Rheinländer, wird österreichisches Bier teilweise günstiger verkauft als in der Heimat selbst. Man stelle sich das vor: Ein Steirer, der mit dem Auto nach Bayern fährt, nur um das heimische Hopfengetränk zu einem fairen Preis zu erstehen. Früher nannte man das „Ausflug“, heute ist es eine „wirtschaftliche Notwendigkeit“.

Die neue Supermarkt-Ära ist angebrochen: Man kann sich zwar nichts mehr leisten, um es ins Wagerl zu geben, aber wenigstens glänzt das Wagerl selbst. Auch die Rewe-Gruppe plant eine revolutionäre Neuerung: Die hauseigene Billiglinie „clever“ wird in Zukunft nicht mehr „clever“ heißen, sondern „intelligent“. Nicht, weil sich etwas an den Inhaltsstoffen ändert, sondern weil man intelligent genug ist, den gleichen Preis wie für die Markenware zu verlangen.

Und so stehen wir alle, die wir uns mutig in die Schlacht um das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ stürzen, vor dem Regal mit dem letzten 50%-verbilligt-Brot von vorgestern und fühlen uns auf eine mysteriöse Art und Weise reich. Reich an Erfahrung, an Bescheidenheit und am Verständnis, dass Geld allein nicht glücklich macht. Es macht nur satt. Aber auch das nur noch sehr kurz.

Obst, Gemüse, Eier und die Hand eines Mannes, der 3 Hundert-Euro-Scheine davor hält.
(c) AdobeStock
Wir haben den Test gemacht: Obst, Gemüse, Eier – und das Wechselgeld vom 500er, mit dem wir bezahlt haben.

Tu creativus Austria

Doch während die Supermarktregale uns mit ihren Preisen in die Knie zwingen, scheint sich in Österreich eine neue Bewegung zu formieren. Die Leute entdecken, dass die teuerste Freizeit diejenige ist, die sie sich nicht mehr leisten können. Das traditionelle Kulturleben, einst die DNA der Alpenrepublik, ist praktisch tot. Ein Opernbesuch? Nicht, wenn das Geld für ein Ticket den Monatseinkauf im Supermarkt sichert. Die neue Oper heißt „Billa-Sinfonie“, inszeniert im Gang 7, wo die Arie von der abgelaufenen Joghurtpackung gesungen wird.

So finden sich die Menschen, von der Inflation gebeutelt, auf einer Reise zurück zu den Wurzeln des Freizeitvergnügens. Und was war vor Netflix, vor dem Fitnessstudio, vor dem teuren Wochenendausflug? Ein Blick auf die neuen Freizeittrends verrät uns, was die Österreicher und -innen stattdessen machen:

Fensterbrett-Tomaten-Zucht

Der Balkon wird zur Farm, der Gärtner zum neuen Rockstar. Statt des teuren Gemüses im Supermarkt, wird nun auf dem Fenstersims gezüchtet. Eine neue Form des Abenteuers: Wird die Tomate reif? Reicht sie für eine ganze Mahlzeit? Wird sie vor dem ersten Frost geerntet? Wer braucht schon einen teuren Abenteuerurlaub, wenn er täglich gegen Blattläuse kämpfen muss?

Kreative Küchenchefs – die neuen Popstars

„Wir stellen fest, dass das Abendprogramm der Österreicher immer mehr von Kochsendungen dominiert wird“, so ein Soziologe. „Es geht nicht mehr darum, sich inspirieren zu lassen, sondern darum, die effizienteste Methode zu finden, aus einem Päckchen Nudeln und einem Viertel Kilo Faschiertem ein Essen für die ganze Woche zu zaubern. Der ‚Kreative Küchenchef‘ ist der neue Popstar.“

Das „Reichsein-Spielen“

Man träumt nicht mehr vom Lotto-Sechser, man träumt vom Einkauf im „Spreewald-Supermarkt“ in Deutschland, wo die heimischen Gurken und das heimische Bier billiger sind als in der Heimat selbst. Man besucht Flohmärkte, um zu erfahren, wie sich ein Leben mit Besitz anfühlt. Man tauscht Kleidung und Dekoartikel, um das Gefühl zu haben, etwas Neues zu besitzen.

Pilze suchen im Wald

Der Wald ist der neue Spielplatz, die Pilze sind das neue Gold. Mit Körben bewaffnet, die aus alten Einkaufstaschen gebastelt wurden, streifen die Menschen durch die Wälder. Die Pilze sind nicht nur eine Mahlzeit, sie sind ein Symbol der Hoffnung. Ein Pilz ist kein Geld, ein Pilz ist Freiheit.

Es ist eine Revolution, die leise beginnt. Von der Inflation gezwungen, entdecken die Österreicher ihre Kreativität und erfinden neue, unkonventionelle Hobbys. Es ist ein trauriger, aber auch inspirierender Anblick.

Und so sitzt der Durchschnittsösterreicher nun abends daheim, schaut seine neu erworbenen Lebensmittel-Vorräte an, und findet in diesem Anblick einen seltsamen Trost. Ein voller Kühlschrank ist das neue Statussymbol. Wer einen gut gefüllten Tiefkühler hat, hat es geschafft. Der Wochenendtrip nach Rom? Kann warten. Denn wer braucht schon das Kolosseum, wenn man eine Packung Kaisersemmeln im Supermarkt erobern konnte? Die Zeiten ändern sich. Und der Magen knurrt lauter als die Sehnsucht nach Kultur.

(Bilder: AdobeStock)

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