Es ist so weit: Wien bekommt endlich seinen eigenen Mega-Tunnel. Der Lobautunnel, eine 8,2 Kilometer lange Betonsymphonie, soll Autos durch ein Naturschutzgebiet lotsen. Ein Projekt, das so visionär ist, dass man sich fragt, ob es nicht direkt aus einem 70er-Jahre-Autoprospekt mit lächelnden Kindern ohne Sicherheitsgurte und rauchenden Eltern davor stammt. Denn wenn etwas die Klimakrise stoppt, dann sind es natürlich »neue Straßen«!
Während weltweit Städte Fahrverbote prüfen, Fahrradwege errichten und den öffentlichen Verkehr ausbauen, setzt Wien auf ein anderes Erfolgsrezept: mehr Asphalt. Schließlich ist es erwiesen: Wenn man ein Feuer löschen will, kippt man ja auch Benzin hinein. Das ist nur konsequent.
Neue Straßen »erhöhen« das Verkehrsaufkommen
Das Argument der Befürworter: weniger Stau. Ein Evergreen der Verkehrspolitik, gleich nach dem unsterblichen Hit „Diese Spur ist nur vorübergehend“. Jahrzehnte an Forschung zeigen, dass neue Straßen den Verkehr erhöhen. Aber warum sollte man auf Wissenschaft hören, wenn Baukonzerne so überzeugend sagen: „Wir brauchen Arbeit.“ – Und Arbeit heißt hier: tonnenweise Beton in den Boden kippen, während sich die Natur darüber wundert, wie dumm Homo sapiens eigentlich sein kann.
Die Lobau, ein einzigartiges Naturschutzgebiet, Lebensraum für unzählige Arten, soll geopfert werden – damit SUVs und Pickups ein paar Minuten schneller beim Shoppingcenter ankommen. Das nennt man dann „Verkehrsentlastung“. Für wen? Sicher nicht für die Natur, die in Beton gegossen wird. Und bestimmt nicht fürs Klima, das bei jedem Baggerhub ein kleines bisschen mehr den Kopf gegen die Wand schlägt.
Klimaschutz à la Lobautunnel bedeutet: den Motor laufen lassen, während man auf die große Eröffnung wartet. Schließlich will man doch im Cabrio durch die frische Tunnel-Luft düsen – so frisch eben, wie es geht, wenn die Abluftschächte Feinstaub und Stickoxide verteilen wie Konfetti beim Kinderfasching.
Und so wird das Projekt als Jahrhundertwerk verkauft – wahrscheinlich stimmt das sogar. Denn die Kosten steigen garantiert ins Astronomische, die Bauzeit wird wie immer länger dauern, und die Schäden für Klima und Umwelt sind so nachhaltig, dass sie unseren Enkeln noch als Gratiszugabe überreicht werden.

Fazit
Wien gräbt sich ein Loch. Wortwörtlich. Und während sich die Erde aufheizt, buddeln wir uns fröhlich unter die letzten Auwälder – direkt in Richtung Zukunft. Eine Zukunft, in der man zwar keine funktionierende Umwelt mehr hat, dafür aber einen hübschen Tunnel und so schneller woauchimmer ist. Gratulation, Wien: Ihr habt das Auto ins 21. Jahrhundert gerettet – und den Rest gleich mit unterirdisch beerdigt.
Wenn man bedenkt, was man mit den geplanten Kosten von mittlerweile 2,4 Milliarden Euro alles machen könnte… Um 2 Milliarden Euro könnten beispielsweise über 100 Kilometer Straßenbahnschienen verlegt werden. Derzeit sind laut Wiener Linien alle Gleise der Stadt 172 Kilometer lang.
(Bilder: AdobeStock)


