Österreich digitalisiert. Langsam, schmerzhaft, aber dafür mit umso mehr Haltung. Die Bundesregierung hat nun das Bildungsprojekt präsentiert, das endlich alles verändern soll: kostenloses WLAN in sämtlichen öffentlichen WC-Anlagen als erster Teil des „Digitalen Masterplans 2073″.
Der Titel des Programms: „EduLatrina – Wissen am stillen Ort“.
Offizielles Motto: „Sitzen. Streamen. Studieren.“
Wenn Reformideen aus dem Rohr kommen
„Wir wollen Bildung dorthin bringen, wo die Menschen in absoluter Ruhe wirklich denken – aufs Klo“, erklärte Bildungsminister Christoph Wiederkehr mit jener Mischung aus Stolz und Ratlosigkeit, die man sonst nur bei PowerPoint-Folien über Kompetenzorientierung sieht.
Mit einer Investition von 738 Millionen Euro soll das Land bis 2031 zu einer „toilettenpädagogischen Smart Nation“ werden. Finanziert wird das Ganze aus einem neuen Bildungsinnovationsfonds, der ursprünglich für Schulbibliotheken und Lehrerfortbildungen vorgesehen war.
Der Plan ist einfach: Über 18.000 Toilettenanlagen in Amtsgebäuden, Raststätten und in öffentlichen Parkanlagen werden mit Highspeed-Internet ausgestattet. Finanziert aus dem „Digitalpakt Bildung“, ursprünglich gedacht für Laptops in den heimischen Klassenzimmern, die es aber aufgrund von »EduLatrina« weiterhin nicht geben wird.
„Es geht um Chancengleichheit“, so Wiederkehr. „Nicht jeder hat zu Hause WLAN – aber jeder muss irgendwann müssen. Mit EduLatrina schaffen wir digitale Lernräume für alle Bevölkerungsschichten. Egal ob man in Graz, Gmunden oder Gänserndorf auf die Toilette geht – Bildung fließt bald überall gleich schnell.“
Toiletten als Thinktanks
Laut Ministerium soll die Maßnahme die „informelle Lernzeit“ der Bevölkerung steigern. Geplant ist eine eigene App, „ToiTutor“, die beim Betreten einer mit Highspeed-Internet ausgestatteten WC-Anlage automatisch startet und mit sanfter Stimme dazu auffordert, „diesen Moment der Ruhe für Erkenntnis und Wissensgewinn zu nutzen“.
Ein Pilotprojekt in Linz zeigte bereits, dass 74,26 Prozent der Nutzer\: innen beim Toilettengang durchschnittlich acht Minuten länger verweilen, wenn ein funktionierendes WLAN-Signal verfügbar ist. Das Ministerium spricht von einem „Durchbruch in der Aufenthaltsdidaktik“.
Kritiker befürchten allerdings, dass das Projekt die Verwechslung von Digitalisierung mit Bildung auf eine neue Stufe hebt. „Wir ersetzen Substanz durch Signalstärke“, warnt der Pädagoge und Bildungstheoretiker Peter Filzhuber. „Die Regierung verwechselt den Akt des Scrollens mit dem des Denkens – aber immerhin, beides findet im Sitzen statt.“
Wenig begeistert zeigt sich auch der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Heinz Faßmann: „Ich sehe hier eine fatale Verschiebung. Bildung ist kein Datenstrom, sondern ein Prozess. Wenn dieser künftig zwischen Spülkasten und Seifenspender stattfindet, dann haben wir das System endgültig runtergespült.“
Und auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst äußert Bedenken: Toilettenpersonal müsse künftig „nicht nur Papier, sondern auch Router wechseln“.

Ministerium verteidigt sich: „Das ist nur der Anfang“
Tatsächlich kündigte das Bildungsministerium bereits Folgeprojekte an:
- „Flush & Learn“ – interaktive Lernspülungen mit Quizfunktion,
- „Smart Urinal Data Hub“ – ein Pilotprojekt zur anonymisierten Bildungsanalyse,
- und eine Kooperation mit dem ORF: „ZiB beim Geschäft“ – die wichtigsten Nachrichten in 90 Sekunden auf allen Kabinenlautsprechern.
Datenschützer warnen, dass die erfassten WLAN-Daten Rückschlüsse auf Denk- und Verdauungsgewohnheiten zulassen könnten. Das Ministerium beruhigt: „Es wird nichts gespeichert – außer der Fortschritt.“
Kanzler Stocker: „Das ist Humanismus in Porzellan gegossen“
Auch Bundeskanzler Christian Stocker zeigte sich begeistert: „Wir schaffen Räume, in denen der Mensch allein mit sich und der Republik ist. Wenn Bildung dort passiert, dann haben wir alles richtig gemacht.“
Auf die Frage, ob nicht dringlichere Probleme im Bildungssystem bestehen – etwa Lehrer\: innenmangel, marode Gebäude oder ein Curriculum aus dem Jahr 1985 – antwortete der Kanzler ruhig: „Man muss Prioritäten setzen. Und ehrlich gesagt: Am Ende spült man ja alles runter.“
Analyse: Fortschritt im Rückwärtsgang
Was bleibt, ist der Eindruck einer Regierung, die Bildungspolitik als ästhetische Performance begreift: glänzend poliert, aber inhaltlich verstopft. Während Schüler\: innen weiterhin in überfüllten Klassenräumen sitzen, feiert man im Ministerium die WLAN-Abdeckung von Pissoirs und Klomuscheln als Innovationsleistung.
So wird Österreich zum Lehrbuchbeispiel für symbolische Politik: Ein Land, das Bildung wortwörtlich in den Abfluss kanalisiert, beweist vor allem eines: Prioritätensetzung als Kunstform. Zwischen Keramik und Cloud, zwischen Spülung und Streaming, wächst eine neue Generation heran – wissend, dass der Fortschritt manchmal eben im Sitzen geschieht.
Und irgendwo zwischen Kacheln, Klo und Kabel liegt sie dann – die Zukunft. Gut gemeint, schlecht installiert.
(Bilder: AdobeStock)


